Die Fähre über den Lago Pirahuelco verläuft entlang des (privaten) Bioreservats Huilo Huilo, welches wir eigentlich besuchen wollen. Während der Fähre werden wir gleich zweimal zu unserem Camper angesprochen und sogar von einem netten älteren Mann zu sich nach Hause nach Pucon eingeladen. Angekommen am Besucherzentrum des Reservats stellt sich aber heraus, dass die Flüsse, welche die Wasserfälle – Hauptattraktion des Parks – speisen, ausgetrocknet sind und deshalb fahren wir – bei miesem Wetter – direkt weiter nach Panguipulli, dem Ausgangspunkt für die chilenische Variante einer Sieben-Seen-Tour.
Jetzt werden wir auch wirklich von Corona eingeholt, denn unser Rückflug wird storniert und es bleibt im Verlauf der nächsten Tage unklar, wer uns jetzt einen neuen organisiert. StaTravel – unser Reisebüro – macht nämlich keine Anstalten und reagiert nicht auf E-Mails, es bleibt also spannend…
Da wir seit Argentinien genug von diesen Seen-Touren haben, machen wir uns direkt auf zu unserem eigentlichen Grund für diesen Abstecher – der aktive Vulkan Villarrica. 2847 Meter hoch, zuletzt ausgebrochen 2015, letzte nennenswerte Aktivität im November 2019. Und das Beste, man kann den Krater relativ entspannt mit einem Bergführer erreichen. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen und versuchen unser Glück in Conaripe, um den Vulkan von dessen angeblich schöneren Südseite zu besteigen. Leider sind hier aufgrund der Nebensaison keine Führer mehr stationiert, weswegen wir auf den deutlich touristischeren Ort Pucon ausweichen müssen. Durch die Nebensaison ist es aber auch hier relativ entspannt.
Nachdem wir ein paar Tourenanbieter verglichen haben und auch Kerstin ein gutes Gefühl hat den Aufstieg zu schaffen, geht es am nächsten Tag auch gleich los. Wir haben dabei riesiges Glück, die letzten fünf Tage gab es aufgrund von schlechtem Wetter nämlich keine Touren, der nächste Tag soll aber perfekt werden!
Nach einer Nacht am Stadtstrand von Pucon geht es um 6 Uhr morgens los. Wir müssen unsere Ausrüstung anprobieren, unseren Proviant irgendwie in die Rucksäcke mit der Ausrüstung unterbringen. Dabei ist noch ein Pärchen aus San Francisco und unsere beiden Führer Joaquin und Felipe. Danach geht es rund 40 Minuten mit dem Auto auf ca. 1400 Höhenmeter in den Nationalpark und los geht der Aufstieg. Naja nicht ganz, die ersten 400 Höhenmeter sind relativ langweilig und es wird empfohlen dafür einen etwas abgehalfterten Sessellift (ohne Sicherungsbügel) zu nehmen, um sich die Puste für den schweren Teil des Aufstiegs zu sparen. Auf 1800 Meter angekommen, geht es dann aber wirklich los. Zuerst durch Vulkangestein bis wir die ersten Ausläufer des Gletschers erreichen, der die Spitze des Vulkans schmückt. Nach einer kurzen Einweisung von Felipe wie man sich im Falle eines Sturzes am besten mit seiner Eisaxt rettet heißt es, Steigeisen anziehen und im Zickzack den Gletscher nach oben. Im ersten Moment sieht das durch die Form des Vulkans halsbrecherisch steil aus, aber nach ein paar Schritten gewöhnt man sich daran und wir stapfen unserem Führer Schritt für Schritt hinterher.
Mit uns begeben sich ca. 60-80 Leute auf den Vulkan, das klingt erstmal viel aber in der Hauptsaison sind es über 300! Alle im Gänsemarsch über den Gletscher, unterbrochen wird dieser meditative Moment aber immer wieder durch laute “Roca”-Rufe und Trillerpfeifen. Sei es durch Bergsteiger, Wind oder die Sonne, lösen sich nämlich immer wieder kleine und mittelgroße Steine vom oberen Teil des Vulkans und die schießen mit teilweise Höllentempo nach unten. Oben am Gletscher angekommen, lassen wir unser Gepäck zurück und bewältigen die letzten paar schneefreien Höhenmeter zum Krater nur mit Kamera und Gasmaske bewaffnet. Dann steht man da am Rande des rauchenden Kraters, sieht die verschiedenen Farben und hört immer wieder ein Grollen aus dem Schlund. Einfach nur atemberaubend! Gleichzeitig hofft man natürlich, dass die gelbe Warnstufe nicht mit mal zur roten wird…
Zurück an unserem Gepäck ist Mittagessen angesagt. Dann wieder hektische “Roca”-Rufe, lautes Pfeifen gefolgt von einem vielstimmigen “Uhhh” und einem “Hat’s oan dawischd?” aus einer Lederhose – vor Bayern ist man auch wirklich nirgends sicher. Da wir nichts sehen konnten, werden wir von Joaquin aufgeklärt. Ein Stein ist wohl nur Zentimeter über den Helm eines sich duckenden Wanderers geflogen.
Wenn genug Schnee liegt, kann man den Abstieg mit einem Bob aka Porutscher deutlich beschleunigen. Das ist aber leider nicht der Fall und daher heißt es Steigeisen wieder anziehen und im Gänsemarsch den steilen Gletscher über ein Gemisch aus schmelzendem Schnee, Eis und Steinen wieder runter. Die letzten Meter bewältigt Tobi zusammen mit Felipe dann noch durch “Boot-Skiing”. Joaquin sagt dazu nur, “they are children”!
Am nächsten Tag fahren wir dann noch für eine Nacht in den Nationalpark Conguillio mit dem Doppelkratervulkan “Llaima” (3125m) und der Wanderung zum “Mirador Sierra Nevada”. Diese bietet nicht nur eine tolle Aussicht auf den Vulkan, sondern führt uns auch zu den “Araucania” Bäumen, welche der Region ihren Namen geben. Außerdem sehen wir endlich den Rotkopfspecht, den wir schon in ein paar Parks gehört, aber nie zu Gesicht bekommen haben!
Leider holt Corona uns jetzt so richtig ein. Denn wir haben von StaTravel immer noch nichts gehört, Chile kündigt an seine Grenzen zu schließen und wir haben immer noch keinen neuen Flug. Langsam wird es immer “gefährlicher”, dass in zwei Wochen vielleicht keine Flugzeuge mehr fliegen oder sich die ganze Welt noch mehr abriegelt. Deshalb entschließen wir uns zur Vorsicht nicht im Park zu bleiben, sondern uns Santiago anzunähern, damit wir im Zweifel schnell reagieren können. So warten wenigstens noch ein paar Tage am Strand auf uns…